Die Speakerinnen und Speaker aus dem Bildungssektor und den Medien sprachen über digitale Souveränität als zentrale Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft, über gute Prinzipien und Beiträge dazu, wie digitale Souveränität gestärkt werden kann und wie mehr Menschen Zugang zu Wissen, Meinungsbildung und digitalen Ausdrucksmöglichkeiten erhalten. Mit einem Einspieler der Nominierten des Grimme Online Award 2024 wurde die Vielfalt ausgezeichneter Beispiele hierfür illustriert. Anschließend diskutierten:
Speaker*innen des Panels:
Videostatements aus unserem Speakers‘ Corner:
Julia von Westerholt / Verbandsdirektorin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes
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Robert Amlung / ZDF, Public Spaces Incubator
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Serafin Dinges / netzpolitik.org
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Kinga S. Bloch / Department of History, Queen Mary University of London
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Im Folgenden finden Sie eine schriftliche Zusammenfassung. Die Inhalte stehen Ihnen zudem als Audiomitschnitt zur Verfügung:
Auf die Frage des Moderators Alexander Matzkeit, inwiefern ein historischer Blick dazu beitrage, auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen besser zu verstehen und vielleicht die Zukunft sogar besser zu gestalten, sagte Kinga Bloch (Projekt „Library of Lost Books“ der Leo Baeck Institute), dass die Website (genutzt von ca. 40.000 Menschen) nicht nur die Geschichte der Bibliothek der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums dargestellt habe, sondern man sich gemeinsam mit jungen Leuten aktiv auf die Suche nach den verschollenen Büchern gemacht habe. So habe man die Geschichte der Hochschule weitergeschrieben, vermittelt über ein digitales Angebot mit einem Citizen-Science-Ansatz. Das Feedback von Fachleuten, Pädagogen, aber auch über Instagram (aktuell 20.700 Follower) sei sehr positiv gewesen.

Zum mit dem GOA ausgezeichneten Podcast „Systemeinstellungen“, für den Serafin Dinges anwesend war, sagte dieser, dass es grundsätzlich immer ein gesellschaftliches Ungleichverhältnis von Macht gebe, man als Journalist*innen aber die Verantwortung trage, diejenigen, die eine Plattform hätten, zu hinterfragen, und denen ohne Plattform zuzuhören. Die Herausforderung sei immer, dass man Vertrauen aufbaue und das Gesagte akkurat wiedergebe. Viele Reaktionen auf den Podcast, in dem es um Übergriffe vom Staat und der Polizei ging, waren schockiert oder traurig. Aber zusammengefasst war die Reaktion: „Ihr habt mich aufgeklärt. Und das war unser Ziel.“
Zur Frage, wie der Deutsche Volkshochschul-Verband zur Stärkung digitaler Souveränität von Bürger*innen beitrage, beschrieb Julia von Westerholt sowohl die nationale und internationale Arbeit des Dachverbands wie auch die Arbeit und Aufgabe der Volkshochschulen vor Ort. Es gebe
830 Volkshochschulen in Deutschland mit über 2000 Außenstellen. Das Tolle an Volkshochschule sei, dass sie ganz nah beim Bürger seien, die in den Austausch kommen. Und bevor man überlege, was man machen müsse, solle man schauen, was man bereits habe, denn man sei gesegnet „mit vielen Institutionen, mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren, mit vielen Einrichtungen, die wir alle schon haben“. Man solle sich dieser Strukturen bewusst sein, sie stärken, sie befähigen, die Aufgaben, die immer komplexer werdenden Aufgaben, einfach wahrnehmen zu können, statt immer wieder zu überlegen, „was wir neu machen müssen, weil wir eigentlich schon alles haben, einfach nur besser finanzieren und ausstatten müssen“.
Robert Amlung sagte, dass eine der wesentlichen Veränderungen in der digitalen Welt sei, dass man nicht mehr journalistisch nur verteile, sondern Teil eines Gesprächs werde. Mit dem Public Spaces Incubator solle eine Diskussions- und Kommunikationsfähigkeit auf den eigenen Plattformen hergestellt werden. Auf der fürs erste Quartal 2026 geplanten Streaming-Plattform und auf ZDF heute (bereits 2025 testweise eingeführt) würden diese Möglichkeiten nun angeboten. Den Public Spaces Incubator zeichne im Vergleich zu den üblichen Kommentarspalten aus, dass es sich um ein internationales Projekt, derzeit mit Kanada, USA, Australien, Belgier, Niederlanden und Schweden, handle, und die stattfindenden Diskussionen immer themenzentriert seien und auf einer redaktionellen Leistung beruhten. Die Themen sollen zu verschiedenen Beiträgen passen und über einen gewissen Zeitraum dauern. Für gelingende Kommunikation solle das Prinzip der Civility by Design umgesetzt werden, etwa mithilfe einer KI-gestützten Moderation zum Herausfiltern von Trollen sowie mit dem Grundsatz, dass Nutzer*innen pro Thema nur einmal posten können. Dies basiere auf der Rückmeldung aus der Social-Media-Moderation, dass 3% der Leute 80% der Arbeit machten, weil so viele Viel-Redner gebe, die alles dominierten. Momentan laufe die Testphase, der Regelbetrieb sei für 2027 geplant, mit der großen Herausforderung, dies in den journalistischen Alltag der Medienhäuser zu integrieren. Ein wesentlicher Punkt beim Ziel des weiteren Wachsens sei neben der Finanzierung die Bildung von Netzwerken auch über Medien hinaus, etwa mit Volkshochschulen und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft. Die entwickelten Tools seien ab Start des Regelbetriebs als Open Source verfügbar mit der Vernetzung über Federation.
Auf die Frage nach Resonanz der Nutzenden im Kontext neuer Angebote sagte Julia von Westerholt, es gehe immer darum, Leute zu erreichen. Die Wege und Möglichkeiten seien vielfältig, man könne etwa auch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren Projekte machen, sodass darüber andere Zielgruppen erreicht werden könnten. Der Auftrag der Volkshochschulen sei „Bildung für alle überall“. Daraus leite sich eine Mission ab: „Ich will das und das erreichen mit diesem und jenem Angebot. Wo finde ich diese Menschen und mit wem muss ich sprechen, damit ich diese Menschen erreichen kann?“ Die große Aufgabe sei es, all die guten vorhandenen Angebote noch besser zu vernetzen. Jede einzelne Institution könne für sich ihre Zielgruppen erreichen, aber wenn man das alles zusammenwerfen würde, könne man noch viel mehr erreichen.
Robert Amlung sagte, dass ein Teil des Reizes von großen Social-Media-Plattformen (bei gut gemachten Feeds und tauglichen Algorithmen) sei, dass man in seinem Feed sehr verschiedene, wesentliche Dinge bekomme. Dieses sinnvolle Nutzerbedürfnis könne man nicht allein unterstützen. Die europäische „Zersplittertheit und ihre kulturellen Vielfalten und Staaten und Sprachen“ betrachte er im Vergleich zu den USA mit ihrer Neigung zu Monopolen als Qualität, die zur Vernetzung sehr unterschiedlicher Akteure beisteuern könne. Die Rückmeldungen einer Marktforschung zu Zuschauerinteressen zeigten, dass „es eine sehr große Gruppe von Menschen gibt, die auch an digitalen Diskussionen gerne teilnehmen möchte und sich auch in digitalen Räumen durchaus bewegt, aber die, so wie das heute läuft, keinen Bock haben, da mitzumachen, die eben nicht angepöbelt werden wollen … offensichtlich gibt es diese Menschen wirklich, die sagen: Nö, also wenn das jetzt hier irgendwie gesitteter zuläuft und man nicht nur brüllt, dann sage ich auch mal wieder was. Und ich glaube, das ist genau der Punkt, den wir für die Demokratie brauchen“.
Serafin Dinges sagte, dass Weiterempfehlung das sei, womit man am besten Leute erreiche, wenn man Podcasts mache. „Man erzählt eine gute Geschichte und macht im Idealfall guten Journalismus, der unterhält und spannend ist und der vielleicht auch ehrlich und auf Augenhöhe rüberkommt und dann wird er weiterempfohlen.“ Man habe sich bei „Systemeinstellungen“ gefragt, was gerade gut ankomme: „True Crime finde ich moralisch immer ein bisschen kompliziert persönlich, aber wie können wir uns das zunutze machen und was zu erzählen, was wir wichtig finden. Und dann haben wir uns gedacht, okay, lass uns das doch mal so umdrehen, dass wir sagen, wir nehmen dieses True Crime Ding, es ist nachts und es nieselt leicht und dunkel und irgendwie ist noch eine Eule im Hintergrund und dann bricht irgendjemand irgendwo ein. Nur, unser Twist ist natürlich, dass es die Polizei ist oder der Staat, der bei dir einbricht. Aber so können wir so ein bisschen dieses Spannungsmoment nutzen, um was Spannendes zu erzählen. Das war so ungefähr unsere Strategie.“
Kinga Bloch schilderte, dass man sich beraten habe mit Historikern, Bibliothekaren, Archivaren, aber auch mit Lehrern und mit Schülern und Studenten. Sie hätte jungen Menschen gesagt: „Ich mache hier was. Aber ich brauche deine Hilfe, um das zu machen, weil ich will verstehen, was dich interessiert und wie ich das machen kann, dass du mitgehst mit mir, diesen Weg zu verstehen, was mit dieser jüdischen Institution passiert ist und dass du bereit bist, in der Bibliothek zu sitzen und etwas eigentlich unfassbar Langweiliges zu tun, nämlich Bücher durchzuschauen und nach Stempeln zu suchen.“ Junge Menschen reagierten darauf, wenn man sie ernst nehme und frage, was interessiert dich? Man könne unfassbar viel lernen, wenn man den Dialog suche.
Robert Amlung sagte, die Diskussion kranke auch daran, dass man analog und digital immer noch zu sehr trenne. „Einer der Schlüssel in unserem Projekt ist, dass wir versuchen aus dem Analogen zu lernen fürs Digitale und zurück und ständig wechseln im Gedanken zwischen der digitalen und analogen Welt, weil sie auch in unserem Alltag einfach fusioniert ist.“ Es gebe „eine deutsche Zurückhaltung vom Digitalen“. Man müsse eben nicht mehr nur „über dieses exotische, komische Digitale reden, sondern einfach über das Leben, wie es heute ist“.
Julia von Westerholt sprach von der Herausforderung des Digitalen, von Berührungsängsten und von „Zugangsschwierigkeiten …, digitale Dienste überhaupt in Anspruch nehmen zu können“: „Wir bewegen uns im digitalen Raum sehr schnell in geschlossenen Räumen und das ist eine Herausforderung, die haben wir im Analogen meiner Meinung nach nicht so, weil das viel fluider ist. Wir laufen draußen rum, wir treffen Menschen aus Versehen, wir können gar nichts dafür, wir hocken im Zug, plötzlich sitzen wir neben jemandem, kommen ins Gespräch und im digitalen Raum ist das Confined Space, wie ich das mal nennen würde, obwohl es ein ganz großer, weiter Raum ist. Und dieser Widerspruch ist recht schwer aufzulösen.“ Die Volkshochschulen hätten die Verantwortung, den Menschen diese Dinge fast beiläufig beizubringen, und seien gefordert, Konzepte zu entwickeln.
Serafin Dinges sagte, dass es seiner Meinung nach funktioniere, guten Journalismus zu machen, „der irgendwie zugänglich ist“. Kinga Bloch schilderte, wie sie „das Digitale“ in ihren Unterricht einbaue und ihren Student*innen die Aufgabe stelle, einen „Blogpost [zu] schreiben in ihrem Geschichtskurs zu Deutschlands jüdischer Geschichte und Kultur und die hassen mich dann zwei Wochen lang, weil die sowas noch nie gemacht haben und die wollen lieber ihre Quellenanalyse oder ihren Essay schreiben und ich soll die in Ruhe lassen damit, aber dann gehen sie da raus und wir diskutieren das auch, was geschrieben wurde und dann ist wieder so ein kleines Learning mehr da“.
Befragt zur internationalen Perspektive, sagte sie, am Anfang ihres Projekts habe es wirklich „viele Zweifler [gegeben] und die waren auch international, also nicht nur deutsch, vielleicht war da war die deutsche Resonanz doch ein bisschen konservativer als in Großbritannien, aber grundsätzlich bin ich mir nicht sicher, ob es jetzt im historischen Bereich unbedingt ein deutsches Thema wäre, da Zweifel zu haben“.
Robert Amlung ergänzte, dass er nicht generalisieren wolle, die Deutschen aber immer ein Stück weit zögerlicher seien. „Dieser emotionale Widerstand quasi, zunächst mal sich jetzt auf das Neue einzulassen, den erlebe ich schon stärker in Deutschland als in anderen Ländern.“ Die nationalen Unterschiede bei der Projektumsetzung seien allerdings „erstaunlich klein, weil schlichtweg die Erfahrungen, die die Menschen mit den Plattformen machen, natürlich ähnlich sind überall, weil die Plattformen ja überall die gleichen sind“. Was Regulierungen beträfe, sei es so, dass etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk Kanada nicht mehr auf Facebook oder Instagram posten könne, „weil Meta denen die Konten zugemacht hat. Und das hat was damit zu tun, dass es da eine Regulierung gibt vom kanadischen Parlament, die Mark Zuckerberg nicht passte und dann hat er einfach allen denen, die da begünstigt wurden im journalistischen Bereich, einfach alle Konten dicht gemacht, von einem Tag auf den anderen“. Nicht beklagen könne er sich über die „partnerschaftliche Art, wie Google mit uns umgeht“, er höre aber, dass in kleineren Ländern Google ganz anders erlebt werde. Man dürfe nicht zu sehr generalisieren: „Da neigen wir ein bisschen als Deutsche zu, weil wir so ein großes Land sind, so ein großer Markt ist und weil die großen Plattformen uns auch sehr ernst nehmen hier in Deutschland. Das sieht eben teilweise in anderen Ländern noch sehr anders aus.“
Befragt nach der internationalen Perspektive der Volkshochschulen sagte Julia von Westerholt, dass begonnene Projekte in der Ukraine nach Kriegsbeginn inhaltlich umgewidmet werden mussten, dass man aber gemerkt habe, dass die Digitalkompetenz von Menschen in der Ukraine sehr hoch sei. Auch abseits des Kontexts Volkshochschule sei es so, dass „die Ukrainerinnen und Ukrainer es gewöhnt sind, dass sie ihre Bürgeramtsangelegenheiten alle irgendwie mit so einer Art QR-Code-System regeln“, während man hier noch Schwierigkeiten bei der Terminvergabe mit verfügbarem Timeslot haben könne – „solche Dinge kannten die Bürgerinnen und Bürger aus der Ukraine nach meinem Verständnis eben so nicht“. Sie erinnere sich in einem anderen Kontext auch an via Smartphone gesteuerte Spendensammelaktionen und glaube, dass es Teilbereiche gebe, in denen andere Länder deutlich weiter seien. Es gebe Institutionen, die es bereits lange da seien, „keine Start-ups oder sowas, sondern die haben ihre gelebten und vorhandenen sehr guten Strukturen und sind sozusagen mitgewachsen mit den Ansprüchen“. „Aber ich bin doch immer wieder überrascht worden von Angeboten in anderen Ländern, die einfach an manchen Stellen deutlich fortschrittlicher waren.“
Sie sei aber zurzeit auch ein bisschen genervt der Klage, alles sei schrecklich, anderen könnten es besser, und plädiere für die Sichtweise, dass es sehr viel Gutes in Deutschland gebe, man dies benennen und ein Bewusstsein und eine Strategie entwickeln solle, „wie wir es umsetzen wollen und wie wir mit vernünftigem Einsatz von Mitteln an den richtigen Stellen einen Mehrwert erzeugen können“.
Serafin Dinges sagte zum Abschluss, dass man im Kontext Framing oft über Medienkompetenz spräche, er aber meine, man müsse mehr darüber nachdenken, „was machen wir denn falsch und wie kann man Journalismus besser machen“.





Bilder: Tom Maelsa / Grimme-Institut