In Deutschland (und Europa) werden stetig neue Zahlen zu Geflüchteten veröffentlicht:
- zu denjenigen, die da sind,
- denen, die noch kommen sollen oder könnten,
- denen, die angeblich verschwunden sind,
- denen, die man „bewältigen“ kann,
- denen, die „uns überfordern könnten“,
- denen, die zurückgewiesen werden sollten,
- zu Tageskontingenten,
- zu denen, die gegen andere getauscht werden sollen.
Woanders zur gleichen Zeit:
Der Verein e-politik.de hat im Rahmen des Projekts WissensWerte eine interaktive Infografik zum Thema Migration weltweit veröffentlicht:
In der digitalen Werkstatt erklären wir, wie man selbst Infografiken erstellen kann.
(CC BY-SA-NC)
… sind laut dem UNHCR, dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten der Nationen, mehr als 7,6 Millionen Syrer auf der Flucht im eigenen Land; seit März 2011 haben rund 4,2 Millionen das Land verlassen und sind ins Ausland geflohen – überwiegend in den Libanon, nach Jordanien und in die Türkei. Dies ist der Stand vom Juni 2015. Menschen, die sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Flucht entschlossen haben, sind hier noch nicht einmal berücksichtigt.
… lebten bereits im November 2015 rund 2,5 Millionen Syrer in der Türkei und fast 630.000 in Jordanien.
Konrad Adenauer Stiftung, November 2015:
„Ende September 2015 zählte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) 629.034 registrierte Flüchtlinge in Jordanien, von denen 82,5% außerhalb der Flüchtlingslager und 17,5 % in Lagern lebten.“
… wird die Diskussion über Flüchtlingszahlen in Europa durch Zahlen wie die folgenden ein wenig relativiert: „Ganz andere Relationen findet man in Asien und Afrika: Laut UNHCR-Bericht vom Juni 2015 hat die Türkei rund 1,6 Millionen Menschen aus Syrien aufgenommen. Das entspricht elf Prozent der weltweiten Flüchtlinge.
Es folgen Pakistan (1,5 Millionen), der Libanon (1,2 Millionen), der Iran (1 Million), Äthiopien und Jordanien (je knapp 700.000). Gemessen an der eigenen Einwohnerzahl nahm der Libanon die meisten Flüchtlinge auf, nämlich 232 pro 1.000 Einwohner.“
… ist weltweit bereits „einer von fünf Flüchtlingen Syrer und diese Zahl wird weiter steigen, solange es keine von allen Konfliktparteien akzeptierte, nachhaltige Friedenslösung gibt“, so die Konrad Adenauer Stiftung im November 2015.
Bereits aus dem Sommer 2014 stammt die Multimediareportage des Spiegel über syrische Flüchtlinge im Libanon und der Türkei – die Bilder und Geschichten haben an Aktualität nicht verloren.
… sind nach Aussage der Vereinten Nationen fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht.
… sind neben den Menschen, die ihr Land verlassen haben, über 40 Millionen auf der Flucht im eigenen Land.
Die Zahl der sogenannten Binnenflüchtlinge ist damit rund doppelt so hoch wie die derer, an die man in der Regel denkt, wenn man die Bezeichnung „Flüchtling“ hört.
Tagesschau online zitiert das Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) mit der Einschätzung, dass niemals zuvor eine höhere Zahl von Binnenflüchtlingen registriert worden sei, als im Jahr 2015. Während über die Hälfte dieser Menschen aus dem Jemen, Syrien und dem Irak stammen und auf der Flucht vor Gewalt und Krieg seien, flohen anderswo auf der Welt über 19 Millionen Menschen vor den Folgen von Naturkatastrophen, etwa in Indien, China und Nepal.
„Zu den Migrationsursachen gehören neben Gewalt und bewaffneten Konflikten auch der Mangel an Perspektiven im Heimatland, bedingt durch fragile Staatlichkeit, menschenunwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen und zunehmend auch der sich verschärfende Klimawandel.“ (Dossier der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema Flucht, Migration und Integration)
In der Publikation Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte (12/2015) führt Jochen Oltmer aus, dass „Flüchtlinge… in aller Regel Sicherheit in der Nähe der Konfliktherde [suchen], weil sie meist danach streben, die verlassene Region möglichst bald wieder aufzusuchen“.
Darüber hinaus stünden vielen von ihnen schlicht nicht die Mittel zur Verfügung, um größere Strecken zu überwinden; auch wird die Fluchtroute häufig von Transitländern blockiert bzw. gibt es Einschränkungen bei der Aufnahmewilligkeit seitens gewünschten Zielländern.
Kenia, das eines der größten Flüchtlingslager in Afrika unterhält, kündigte Mitte Mai 2016 an, aus Sicherheitsbedenken das Lager Dadaab schließen zu wollen. „The Interior Ministry says it hosts 600,000 refugees, many from neighbouring Somalia and South Sudan. Some refugees have lived in Dadaab for decades and some were born there.“
„Angesichts dessen überrascht es nicht, dass Staaten des globalen Südens 2014 nicht weniger als 86 % aller weltweit registrierten Flüchtlinge beherbergten – mit seit Jahren steigender Tendenz im Vergleich zum Anteil des globalen Nordens.“ (Jochen Oltmer)
Oft müssen diese Menschen für längere Zeit in Flüchtlingslagern ausharren. Die „Dauer von Flüchtlingssituationen steigt zunehmend an“, schreibt Ulrike Krause (Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte 12/2015), weil die internationale Gemeinschaft keine dauerhafte Lösung für die Personen finden und umsetzen könne.
Das Projekt Libraries Without Borders bietet mit der „Ideas Box“ eine Art tragbares Mediencenter. Es soll Flüchtlingen in Camps den Zugang zu Informationen und Bildung ermöglichen und steht nach nur wenigen Minuten Aufbau für bis zu 24 Menschen als Bibliothek mit gedruckten Büchern und E-Books zur Verfügung – inklusive Geräten wie Laptops und Tablets.
Laut UNHCR seien im Jahr 2014 6,4 Millionen Flüchtlinge in 33 solcher Situationen in 26 Ländern. Die durchschnittliche Dauer dieser Situationen werde auf 20 Jahre geschätzt wird. 12 davon allerdings gebe es seit mehr als 30 Jahren und weitere 12 zwischen 20 und 29 Jahren. Fast alle befänden sich in Afrika, Asien und Südamerika.
Das UNHCR definiert solche Langzeitsituationen für Flüchtlinge (protracted refugee situations) als „refugee populations of 25,000 persons or more who have been in exile for five or more years in developing countries“.
Die Lösung solcher Dauersituationen scheint schwieriger zu werden. Im Jahr 2014 konnten nach Angaben des UNHCR nur 262.700 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückgeführt, in Drittstaaten umgesiedelt oder lokal integriert werden, „was ca. 1,82 % aller Flüchtlinge weltweit entspricht“.
Als einer der Hauptgründe dafür, dass keine nachhaltigeren Lösungen gefunden werden, wird die nicht hinreichende internationale Kooperation von Staaten genannt.
Im kurzen Film „Früher war ich Stürmer“ beschreibt das „Forum Ziviler Friedensdienst“ ein Projekt von syrischen Flüchtlingen und Einheimischen in der libanesischen Stadt Baalbek.
Tagesschau.de hat eine Bildstrecke zu Binnenflüchtlingen veröffentlicht. Neben denen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, ist eine wachsende Zahl von Menschen (im Jahr 2015 19,2 Millionen, also zwei Drittel aller Binnenflüchtlinge) auf der Flucht von „Katastrophen wie Dürre, Erdbeben oder Überschwemmungen.“
Einen eindrucksvollen Überblick darüber, dass Flucht mehr ist als die Migration von Menschen aus einigen wenigen aktuellen Krisenländern nach Europa, gibt die Karte von „The Refugee Project„. Die Betreiber dieser Seite tragen Daten von Flucht seit dem Jahr 1975 zusammen und listen Zahlen, Ursachen und (teilweise erstaunliche) Fluchtrichtungen auf.
Verschiedene Blickwinkel auf das Thema Flucht bietet die Zeitschrift Fluter (No. 55 / Sommer 2015), die kostenfrei downloadbar ist: Flucht im eigenen Land, Flucht vor Armut, vor Krieg, vor religiöser Verfolgung, Flucht im historischen Kontext, Leben im Megalager und vieles mehr.
Das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) betreibt unter dem Titel „Vom Aufbrechen und Ankommen“ eine Seite, auf der neben Informationen auch Kinder- und Jugendfilme zum Thema Flucht & Migration gelistet sind – inklusive solcher, die Fluchtursachen behandeln.
Und die Bundeszentrale für politische Bildung zeigt in ihrer Mediathek einen Beitrag aus der Arte-Reihe „Mit offenen Karten“, der sich mit Gründen für Flucht auseinandersetzt.
„Menschen wandern in die Städte ab – oder steigen in ein Boot in Richtung Europa“: Annamaria Bokor, Senegalexpertin der Caritas Auslandshilfe / Österreich, spricht in einem von der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichten Interview auch über wirtschaftliche und soziale Gründe für Flucht.
Der ebenfalls auf den Seiten der Stiftung erschienene Artikel „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ geht noch weiter in die Tiefe .
Noch schwieriger wird es, das gesamte Ausmaß von Flucht zu erfassen, wenn die Medienberichterstattung von einigen wenigen „Hotspots“ dominiert wird. Über den Bürgerkrieg in Syrien wissen die meisten – zumindest ausschnitthaft – Bescheid. Der Bürgerkrieg im Jemen ist hingegen weitgehend aus dem medialen Tagesgeschäft verschwunden.
Auf dem Kanal „storytellingunhcr“ hat das Internationale Flüchtlingshochkommissariat Geschichten von Menschen aus aller Welt gesammelt, die über ihre Flucht und auch über ihre Neuanfänge sprechen, so etwa die 19-jährige Sahar aus Bagdad.
Eine Scrollytelling-Reportage des Deutschlandfunks befasst sich mit ganz unterschiedlichen Gründen für Flucht. Schauplatz: Eritrea.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat einen Youtube Channel mit Beispielen zur internationalen Flucht.
Hier findet sich unter anderem ein Beitrag, in dem der Schauspieler Tom Wlaschiha den Libanon besucht, das Land, das in Relation zur eigenen Bevölkerung die meisten Geflüchteten aufgenommen hat.
Im Youtube Channel des BMZ finden sich darüber hinaus mehrere Beiträge zum Thema Fluchtursachen (auch zu Stichworten wie Hunger oder Klimawandel).
Hilfe auf dem Weg von „dort“ nach „hier“ bieten Projekte wie der „Moving Europe Bus“, der unter anderem von medico international unterstützt wird: Er ermöglicht Flüchtlingen, die auf der Balkanroute unterwegs sind, das Aufladen ihrer Mobiltelefone sowie Informationen für eine möglichst sichere Weiterreise.
Verbunden mit dem Projekt ist der Newsfeed http://live.w2eu.info, der laufend aktualisierte Informationen für die Flüchtenden in verschiedenen Sprachen veröffentlicht.
Google hat im Jahr 2015 5,5 Millionen Dollar an Spendengeldern für Flüchtlinge gesammelt und diese Summe auf 11 Millionen aufgestockt. Mit diesen Mitteln wurden über die Seite von GiveDirectly Spenden für Notfälle an Menschen in Jordanien und im Libanon überwiesen. Außerdem wurden unter anderem die Informationsplattform Crisis Hub (inzwischen als refugeeinfo.eu online) sowie Internetzugänge in Flüchtlingslagern geschaffen. Letzteres geschieht in Zusammenarbeit mit der Organisation Nethope, die auch in Deutschland Flüchtlingseinrichtungen sowie mit ihnen befasste Projekte mit Hardware und Zugängen unterstützt.
Eher kritisch setzt sich ein Wired-Artikel von Juni 2016 mit neuen Apps für Flüchtlinge auseinander: Die Autoren der Studie ICT4Refugees, die unter anderem Daten für Griechenland, die Türkei und Jordanien erhoben haben, raten dazu, „’stets zu überlegen, ob es schon Programme gibt, die sich adaptieren lassen‘, anstatt eine neue Software zu entwickeln. Flüchtlinge würden auf ihren Smartphones vor allem populäre, längst existierende Dienste wie WhatsApp und den Facebook Messenger nutzen, um mit Angehörigen, Freunden oder Schleusern in Kontakt zu bleiben. E-Mail, klassisches Surfen im Web oder andere Apps sind demnach weniger beliebt“.
In Lagern syrischer Flüchtlinge in Jordanien stellt die Organisation sogenannte Connectivity Kits für Mobilfunk und Internetzugänge zur Verfügung und im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia hat sie ein High-Speed-Netz errichtet – alles in Zusammenarbeit mit Partnern wie Google, Cisco, Microsoft und anderen.
In der Studie ICT4Refugees, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) GmbH veröffentlicht und von betterplace lab und Kiron Open Higher Education erarbeitet wurde, findet sich unter anderem ein Kapitel zur Techniknutzung von Flüchtlingen (Kapitel 4, Understanding refugees’ usage of technology).
Flucht endet nicht mit dem Verlassen der Heimat oder dem Ankommen in einem fremden Land, in dem man Zuflucht findet. Der Status „Flüchtling“ haftet sehr oft lange an den Menschen. Umso wichtiger ist es, dass Maßnahmen nicht damit enden, Menschen in ein bürokratisches Verfahren zu stecken und sie in dieser Zeit (und danach) allein zu lassen. Neben Angeboten (und Pflichten) zur Integration und zum Spracherwerb sind auch Ideen hilfreich, die die Zeit sinnvoll zu verbringen helfen oder auf ein Leben „danach“ vorbereiten – egal, ob dieses die Rückkehr in die Heimat oder das Heimischwerden im neuen Land bedeutet.
Mehr
Wie man selbst Linksammlungen mit List.ly erstellt, erklären wir in der digitalen Werkstatt.
Mehr Links zum Thema finden sich in unserer List.ly-Liste zu „Hintergrundinformationen und Unterrichtsmaterial zum Thema Flucht.