Ein wichtiger Grundpfeiler der Demokratie ist die Wahl von Volksvertretern auf kommunaler und bundesweiter Ebene. Vom Wahlrecht sind volljährige Bürgerinnen und Bürger nur in Ausnahmen ausgeschlossen. Aufschluss über die Wahlberechtigung gibt das Bundeswahlgesetz. Die meisten Menschen mit Lernschwierigkeiten, Sinnesbeeinträchtigungen und / oder chronischen Erkrankungen sowie Demenz in Deutschland sind wahlberechtigt, denn sie haben in der Regel nur für bestimmte Lebensbereiche einen Betreuer / eine Betreuerin.
Bundeswahlgesetz
§ 13 Ausschluß vom Wahlrecht
Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist,
1. wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt,
2. derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905
des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt,
3. wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.
4. (weggefallen)
Der Entzug der Wahlberechtigung bei Menschen, die eine vollumfängliche Betreuung erhalten, wird kritisch betrachtet. „Wir wollen das, was auch in anderen europäischen Ländern gilt – in Frankreich, in den Niederlanden, in Großbritannien, Irland, Schweden, Finnland, Spanien – überall dort dürfen Menschen, die unter vollständiger Betreuung stehen, wählen gehen. Wir möchten das auch für Deutschland haben.“ (Ulla Schmidt, Bundestagsvizepräsidentin/Vorsitzende der Lebenshilfe.)

Um eine Wahlbeteiligung zu ermöglichen, müssen allen Interessierten entsprechende Informationen über Parteien, Wahlprogramme, Termine und Wahllokale zur Verfügung stehen. Zudem müssen eventuell notwendige Mittel zur Ermöglichung einer selbstständigen Wahl greifbar und das Wahllokal erreichbar sein. Und auch im Nachgang zur Wahl müssen Informationen barrierefrei zugänglich sein. Was aber bedeutet dies für den (barrierefreien) Ablauf einer Wahl? Wie muss beispielsweise die Bundestagswahl aufbereitet werden, um für einen barrierefreien Zugang zu Informationen über Wahlprogramme, Kandidaten und Wahlergebnisse zu sorgen? Wie kann der Wahlvorgang barrierefrei gestaltet werden?
Im Folgenden stellen wir einige beispielhafte Initiativen und Hilfsmittel vor, die die Wahlbeteiligung für alle vereinfachen bzw. ermöglichen wollen.
Informieren
Landtagswahlen einfach erklärt (explainity® Erklärvideo)
Um Wahlprogramme und politische Vorgänge für Menschen mit kognitiven Einschränkungen zugänglich zu machen, bedarf es Informationen in leichter Sprache. Informationsbroschüren, Nachrichten sowie eine verständliche Auswertung der Wahlergebnisse sind für eine Teilhabe an politischen Prozessen grundlegend. Zudem sind politische Vorgänge für viele Menschen kompliziert und eben nicht leicht verständlich. Somit sind vereinfachte Erklärungen und kurze Satzstrukturen für viele Menschen eine Entlastung.
Der Deutsche Bundestag bietet eine eigene Website in leichter Sprache sowie eine Mediathek in Gebärdensprache an. Auf Länderebene bietet beispielsweise das Land NRW Informationen in leichter Sprache sowie in Gebärdensprache an. Zudem stellte der Landeswahlleiter von NRW mit Bezug zur diesjährigen Landtagswahl Informationsbroschüren in leichter Sprache zur Verfügung.
Informationen – in leichter Sprache sowie in Gebärdensprache – bieten auch die meisten Websites der Landtage der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat 2017 ein Dossier in leichter Sprache zum Thema Politik erstellt. Unter dem Titel „Politik. Einfach für alle“ finden sich zahlreiche Informationen sowie unter anderem Linktipps zu Nachrichtenportalen in leichter Sprache. Zudem gibt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung einen Bereich mit Hörbüchern zum Themenkreis Politik in leichter Sprache. Auch findet sich in der Rubrik „Bundestagswahlen“ ein Abschnitt mit dem Titel „Wählen ist einfach – Eine Anleitung in leichter Sprache“. Aktuell bietet die BpB Informationen zur Bundestagswahl 2017, welche auch als PDF-Dokument zum Download bereitsteht. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet auch die eigenen Informationen in Gebärdensprache sowie in leichter Sprache an.
Der Fernseher spielt auch bei Menschen mit Behinderung bei der Informationsbeschaffung eine wichtige Rolle (siehe Beitrag „Mediale Teilhabe – inklusiv“). Politische Debatten sollten entsprechend mit Untertiteln, Audiodeskriptionen sowie Gebärdendolmetscher versehen sein. Die ARD bietet beispielsweise die Tagesschau in Gebärdensprache in ihrer Mediathek an. Und auch das ZDF bietet in seiner Mediathek unter anderem die heute Nachrichten als Videos mit zuschaltbarem Untertitel an.
Übrigens:
- Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband informiert auf seiner Website über die anstehende Bundestagswahl im September 2017 und gibt Hinweise über den Erhalt und die Verwendung von Wahlschablonen.
- Der Verein Bundesvereinigung Lebenshilfe bietet online eine hilfreiche Linksammlung zum Thema Politik in einfacher Sprache an.
Wählen

Barrierefreie Zugänge zu Wahllokalen, geeignete Wahlkabinen und eigenständig nutzbare Wahlunterlagen sind die Voraussetzungen für eine Wahlbeteiligung aller Wahlberechtigten in Deutschland. Eine Umsetzung hört sich so simpel an, es ist jedoch zu ahnen, dass dies nicht immer funktioniert, wenn man beispielsweise an Wahllokale in Schulen und Kindergärten denkt, die keineswegs alle barrierefrei zugänglich sind.
Das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit hat Informationen zur Gestaltung von barrierefreien Wahlräumen und zum Umgang der Wahlhelfer mit Menschen mit Behinderung rausgegeben. Dass solche Informationen ausgegeben werden, zeigt, dass Barrierefreiheit keineswegs in allen Wahllokalen gegeben ist. Auch hier gilt: Was für nicht beeinträchtigte Personen problemlos und alltäglich ist, kann für Menschen mit Behinderung problematisch sein.
Lebenshilfe Berlin: „Politik geht uns alle etwas an“
Ein Beispiel für die Ermöglichung einer eigenständigen Wahlbeteiligung von Menschen mit einer Sehbehinderung ist der Einsatz von Wahlschablonen. Diese gibt es zur Bundestagswahl, zu Landtagswahlen und Kommunalwahlen, zu Wahlen des Europaparlaments sowie zu den Sozialwahlen in Deutschland. Die Schablonen werden, je nach Zuständigkeit, vom DBSV Deutscher Blinden- und Sehbehinderten e.V., von den jeweiligen DBSV-Landesvereinen sowie von den Sozialversicherungsträgern zur Verfügung gestellt; sie werden ergänzt durch eine Audio-CD mit erläuternden Begleitinformationen zur Handhabung der Wahlschablone. Bundesweit wurden Wahlschablonen erstmals im Jahr 2002 zur Verfügung gestellt.
Eine Alternative zur direkten Wahl vor Ort am Wahltag ist selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderung die Briefwahl. Auch hierzu finden interessierte Bürgerinnen und Bürger Informationen in leichter Sprache bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
Die Selbstverständlichkeit, wählen gehen zu dürfen und dies auch eigenständig tun zu können, wird gefördert und unterstützt. Es gibt zahlreiche Informationsquellen und ausgewählte Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung, die sich politisch interessieren und wählen gehen wollen. Jedoch gibt es auch in diesem Lebensbereich noch Handlungsbedarf, um eine eigenständige Beteiligung am politischen Leben zu erleichtern. Barrierefreie Räumlichkeiten und Informationen in leichter Sprache sind für alle Wählerinnen und Wähler hilfreich.
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